Wo
leben Jungfernkraniche:
Die
ziemlich kurzschnäbeligen Jungfernkraniche sind Steppenvögel,
die in Asien, z.B. in Kasachstan und der Mongolei beheimatet
sind. Es sind Zugvögel, die ihre relativ kalten Brutgebiete frühzeitig
verlassen und die erst spät wieder zurückkehren. Ihre Überwinterungsgebiete
liegen vor allem in Indien und Ostafrika, wobei sie u.a. den berühmten
Zugkorridor über Israel nehmen - eine Gegend, die nicht nur für
Menschen, sondern auch für Zugvögel mittlerweile lebensgefährlich
ist.
Es gibt 6
grosse geografisch getrennte Populationen der Art - insgesamt
ein breites Band mit einer gewaltigen Ost-West-Ausdehnung. Auf
dem Zug in die Winterquartiere müssen die Jungfernkraniche insgesamt
47 verschiedene Länder durchqueren und nicht nur im Nahen Osten
herrscht Krieg.
Die 3 mehr
westlich gelegenen Verbreitungsgebiete dieser Vögel fallen
zwar zahlenmässig nicht sehr stark ins Gewicht, sind aber trotz
der geringen Populationsgrösse wichtig, eben weil sie das historische
Verbreitunggebiet der Art zeigen:
In Marokko
gibt es vermutlich nur noch etwa 50 freilebende Jungfernkraniche,
das Fortbestehen dieses Bestands ist sehr zweifelhaft. (Noch vor
wenigen Jahrzehnten gab es sogar Angaben bezüglich einer kleinen
Brutpopulation in Südwest-Spanien, die aber - wenn es sie überhaupt
tatsächlich gab - mittlerweile offenbar völlig verschwunden ist.)
Auch die Population
in der Osttürkei, die schon vor einigen Jahren mit
weniger als 100 Tieren angegeben wurde, steht wohl kurz vor dem
Aussterben. Auch hierzu gibt es keine wirklich aktuellen Angaben.
Allerdings führt über dieses Gebiet eine der Zugrouten der Schwarzmeer-
bzw. zentralasiatischen Population, so dass vorstellbar ist, dass
der türkische Bestand von diesen Vögeln in gewissem Umfang aufgefrischt
wird. Immerhin hat die Türkei 2013 noch eine Sondermünze herausgebracht,
auf der der Jungfernkranich (Türkisch: Telli Turna) abgebildet
ist. Die ICF hingegen führt diese Population merkwürdigerweise
überhaupt nicht mehr an.
Nur wenig
besser ist es um die Schwarzmeer-Population bestellt; sie
lebt im östlichen Rumänien, im Grenzgebiet zur Ukraine, in den
Federgrassteppen der Krim und rund um's Asowsche Meer (ein Nebenmeer
des Schwarzen Meeres).
In den anderen
3 Siedlungsgebieten sieht es wesentlich besser aus:
In den Grassteppen Kalmückiens im südlichen Teil des europäischen
Russlands (westlich der Wolga mit ihrem eindrucksvollen Delta
und südlich von Wolgograd, früher Stalingrad) leben
wohl um die 35.000 Jungfernkraniche. In Kasachstan sollen
es 100.000 sein und zwar mit steigender Tendenz. Auch die ganze
Mongolei wird bewohnt bis hinein in den Nordwesten Chinas,
wo man sie am besten in den grossen Naturreservaten von Zhalong,
Dalainor und Xianghai (diese Gebiete sind auch bekannt für
das Vorkommen des Mandschurenkranichs) beobachten kann. Insgesamt
könnten auch hier bis zu 100.000 Jungfernkraniche den Sommer verbringen.
Zur Überwinterung
ziehen die westlichen Vögel über die Türkei in den Sudan,
an den Oberlauf des Nils. Die östlichen Populationen ziehen über
Afghanistan nach Pakistan und Indien bzw.über China
nach Indien.
Bestandszahlen:
Trotz der Lebensraumzerstörung, von der auch diese Vögel betroffen
sind, weisen sie ähnlich wie der Graukranich und der Kanadakranich
noch einen relativ stabilen Bestand auf. Die ICF gibt die Zahl
der Jungfernkraniche mit ~200.000 – 240.000 an und behauptet überraschend
eine steigende Tendenz. Auch von anderen Experten wird der Jungfernkranichbestand
konservativ auf etwa eine Viertel Million Exemplare geschätzt,
weniger vorsichtige Schätzungen gehen von wesentlich höheren
Bestandszahlen aus.
Treuenfels schreibt in seinem schönen Buch "Kraniche – Vögel des
Glücks" dass der Bestand der Jungfernkraniche "bis vor wenigen
Jahren noch nach Millionen zählte" – leider ohne anzugeben, wie
er zu dieser Annahme kommt.
Alles in Allem: Nichts Genaues weiss man nicht . . .
Gefährdung:
Neben der Lebensraumzerstörung spielen Beutegreifer (die den grösseren
Kranicharten weniger gefährlich werden können) eine
Rolle für die Bedrohung der Art und offenbar auch die Jagd:
Kraniche galten früher ja auch in Mitteleuropa als schmackhaftes
Wildbret!
Vor allen auf dem Zug ins Winterquartier sind sie gefährdet
durch Jäger - immerhin so stark, dass mittlerweile
internationale Kranichschutzorganisationen über den in Pakistan
zuständigen Jagdverband versuchen, die Jagd auf den Jungfernkranich
zumindest einzuschränken.
Nestbau
und Brut:
Wahrscheinlich sind auch Jungfernkraniche erst im Alter von 3
Jahren fortpflnzungsfähig. Es gibt allerdings Berichte, nach
denen Jungfernkraniche schon mit zwei Jahren fortpflanzungsfähig
seien; auch Robiller, der als guter Kranichkenner gilt, stützt
diese Auffassung in seinem "Lexikon der Vogelhaltung".
Der Verfasser kann diese Angabe aus eigener Beobachtung nicht
bestätigen.
Mit dem Nestbau
geben sich Jungfernkraniche nicht viel Mühe: Die meist 2
Eier werden in eine flache, nur mit wenigen Halmen ausgepolsterte
Nistmulde gelegt. Die Brutzeit beträgt etwas weniger als
einen Monat und ist damit die kürzeste aller Kraniche. Auch
brauchen die Jungvögel nur etwa zwei Monate, um flügge
zu werden - ca. einen Monat weniger, als die meisten anderen Kraniche.
Wo
kann man Jungfernkraniche beobachten:
Natürlich ist die Beobachtung wildlebender Jungfernkraniche
viel eindrucksvoller, als der Besuch im Zoo. Auf dem Zug in die
afrikanischen Winterquartiere ist das für den deutschen Vogelfreund
auch gar nicht so schwierig. Zypern ist z.B. eine Station
für einen Teil der Schwarzmeer-Population (z.B. die Akrotiri
Plains).
Wenn Sie Jungfernkraniche auf dem Zug sehen wollen, sollten Sie
nicht vergessen, dass die Zugzeit dieser Art sehr früh beginnt,
manchmal schon im August.
Auch
nach Kasachstan gibt es heutzutage gute Verbindungen und
Möglichkeiten, die schönen Vögel in der (relativ
kurzen) Zeit ihres Sommeraufenthalts zu beobachten. Die Ukraine
und die Krim sind derzeit aus politischen Gründen nicht
ganz so einfach zu besuchen.
In Ostafrika sind sie lange Zeit des Jahres anzutreffen;
das wohl wichtigste Winterquartier liegt am Oberlauf des Nils.
Jungfernkraniche
in Menschenobhut kann man sehr häufig sehen; sie werden
von vielen grossen und kleinen Zoos und auch noch von etlichen
Privathaltern gehalten und mittlerweile z.T. auch gezüchtet.
Allein in Deutschland sind dem Verfasser mehr als 50 öffentliche
und zahlreiche private Haltungen von Jungfernkranichen bekannt.
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